Sozialamt erschwert weiterhin ehrenamtliche Arbeit im Flüchtlingsheim Greifswald
Pressemitteilung der Antirassistischen Initiative Greifswald, vom 05.02.2013
Seit der Wiedereröffnung des Greifswalder Flüchtlingsheims vor zwei Jahren engagieren sich dort viele Menschen selbst organisiert. Eine der dort aktiven Gruppen ist die „Antirassistische Initiative Greifswald“ (Antira), die versucht gemeinsam mit den Heimbewohner_innen die Isolation im Heim aufzubrechen, Rechte einzufordern und sich zu solidarisieren. Dazu wurde sich bis vor einigen Monaten wöchentlich im Heim getroffen. So wurde die Antirassistische Initiative zu einer wichtigen Unterstützung und es entstanden Freundschaften. Die Zusammenarbeit mit der Heimleitung funktionierte reibungslos und Räumlichkeiten im Heim konnten ohne Umstände genutzt werden. Seit November 2012 gibt es jedoch nach einem Betreiberwechsel plötzlich auf Initiative des Sozialamtes eine Besucher_innenliste. Darin sollen sich die Gäste der Bewohner_innen eintragen. Von den ehrenamtlichen Gruppen wurde eine Liste mit Beschreibung der Tätigkeit im Heim, sowie allen Namen der Mitglieder gefordert. Unklar blieb, warum diese Maßnahme auf einmal nötig war und was mit den Daten passieren sollte.
Um dies zu klären, wendete sich die Antira gemeinsam mit anderen ehrenamtlichen Gruppen an die zuständigen Mitarbeiter_innen des Sozialamtes, Frau Hinz und Herrn Hamm. Sofort wurde mit Unverständnis reagiert, ohne jedoch den Grund für die Datenabfrage zu benennen. Die Kommunikation mit dem Sozialamt zog sich über Monate, bevor die Zuständigkeiten geklärt werden konnten. Die Arbeit im Flüchtlingsheim war dadurch blockiert. Schließlich meldete sich Herr Froitzheim (Kreissprecher) als zuständig. Bevor jedoch darauf geantwortet werden konnte, wendete er sich an die Lokalpresse, woraufhin ein polarisierender Artikel veröffentlicht wurde (siehe OZ 02.01.2013). Darin und im E-mail- und Telefonkontakt mit Frau Hinz und Herrn Froitzheim wird argumentiert, dass das Erfassen der Namen das Recht des Sozialamtes als Eigentümer des Flüchtlingsheimes sei. Damit solle sicher gegangen werden, dass beispielsweise Neonazis keinen Zutritt bekämen. Schließlich würde man ja auch wissen wollen, wer in der eigenen Wohnung bzw. WG ein und aus gehe. Darüber hinaus gebühre es schon der Höflichkeit sich vorzustellen und sei „in unserem Kulturkreis durchaus üblich […]“ (Zit. Froizheim, 09.01.2013). Auch wurde sich gefragt, was man denn als Ehrenamtliche_r denn zu verbergen hätte.
Der Ansatz, auf diese Art und Weise gegen Neonazis vorzugehen, ist dabei nicht ganz nachvollziehbar, zumal nicht alle Neonazis namentlich bekannt sind. Außerdem ergibt sich daraus die Frage, an welche Behörde die Daten zur Überprüfung weitergeleitet werden, da das Sozialamt über solche Informationen nicht verfügt. Die Kriminalisierung von ehrenamtlicher Tätigkeit ist leider nicht so abwegig wie hier suggeriert wird. Wird man politisch aktiv, muss man mit einer, meist unbegründeten, Beobachtung durch den Verfassungsschutz rechnen, wie sich im letzten Verfassungsschutzbericht zeigte, aus dem kürzlich einige Stellen nach Klage wieder gestrichen werden mussten. Und auch wenn man nichts zu verbergen hat, bedeutet das nicht, dass man, als transparenter Mensch und ohne es zu hinterfragen, alle persönlichen Daten offen legen muss. Der Vorwurf unhöflich zu sein, weil man sich nicht vorstelle, ist nicht haltbar, da sich den Mitarbeiter_innen des Heims durchaus vorgestellt wurde und auch die Flüchtlinge die Namen aller im Heim aktiven Mitglieder der Antira kennen. Die Argumentation, warum eine Vorstellung auch beim Eigentümer und Vermieter erfolgen sollte, ist unschlüssig. Kaum jemand informiert seine_n Vermieter_in darüber, welche Gäste er_sie empfängt und würde eine entsprechende Forderung vermutlich als Eingriff in die Privatsphäre empfinden. Die von der Antira und anderen Gruppen genutzten Räumlichkeiten stehen den Flüchtlingen als Gemeinschaftsflächen rechtlich zu und sollten ihnen auch zur Verfügung gestellt werden.
„Die gesamte Kommunikation mit dem Sozialamt signalisierte Ablehnung gegen die Arbeit der Antira und der anderen ehrenamtlichen Gruppen. Die vorgebrachten Argumente für die Notwendigkeit der Datenabfrage waren nicht nachvollziehbar und unser Kompromissvorschlag jeweils eine_n Anprechpartner_in mit Telefonkontakt bereitzustellen wurde abgelehnt, ebenso wie das Angebot eines gemeinsamen Gesprächs zur Klärung der Differenzen.“ So Anna Grabowski, Pressesprecherin der Antirassistischen Initiative Greifswald, und weiter: „Offensichtlich geht es den Verantwortlichen im Sozialamt nicht um die Flüchtlinge, sondern darum, ehrenamtliche Tätigkeit zu erschweren.“