Im folgenden möchten wir einen offenen Brief zitieren, der uns per Mail erreicht hat:
Gegen Rassismus in Medien und in Kinder- und Jugendbüchern
Ein offener Brief
Wie können in Kinderbüchern und anderen Büchern nicht verletzende Wörter und nicht-rassistische Gruppenkonstruktionen, sondern egalitäre, nicht-koloniale Beziehungsverhältnisse dargestellt werden, die nicht von indirekt konstruierter weißer, zivilisierter Dominanz und nicht von einer kolonial-rassistischen Konstruktion Schwarzer Menschen gekennzeichnet ist?
Die Debatte über die Benutzung des N-Wortes, alternative Bezeichnungen und koloniale Gruppenkonstruktionen wird in Deutschland seit einigen Wochen von verschiedenen so genannten Qualitätszeitungen geführt, u.a. da sich einige Verlage bereit erklärt haben, ihre Kinderbücher in diskriminierungsreflexiver Weise zu überarbeiten, was in einigen Medien sowie in Internetforen und den Kommentarfunktionen von Zeitungen mit einem medialen Sturm der Entrüstung beantwortet wurde.
Der Thienemann-Verlag, der einige seiner Bücher überarbeiten will, hat fachlich inhaltlich auf seiner Homepage Stellung bezogen, u.a. indem aufgezeigt wird, dass keinesfalls von „Zensur“ die Rede sein kann und dass Kinder unterschiedlicher Altersstufen etwas vorgelesen bekommen und auch alleine lesen. Dass keine Zensur vorliegt, wird u.a. durch die zigfache Verwendung des N-Wortes in den Zeit-Artikeln vom 17.01.2013 und in der Kolumne von Mely Kiyak in der Frankfurter Rundschau: „Liebe N.“ belegt. Mely Kiyak hat den interessanten Gedanken, nicht ausschließlich rassistische Wörter zu verändern, sondern die kolonialrassistischen Konstruktionen offenzulegen und solche Bücher nicht zu verwenden. Leider benutzt sie rassistische Begriffe in ihrer Argumentation und erweist rassismuskritischen Ambitionen, entgegen ihren sonstigen Artikeln, damit keinen guten Dienst, eher das Gegenteil.
Ein lesenswerter und rassismuskritischer Artikel trägt den Titel „Koloniale Altlasten. Rassismus in Kinderbüchern: Wörter sind Waffen“ von Simone Dede Ayivi im Tagesspiegel/Berlin. In diesem wird auch thematisiert, um was es in der aktuell stattfindenden Debatte wirklich geht: dass die Mehrheit der deutschen Medien und Theaterbühnen in ihrem Sprachgebrauch immer noch nicht die Tatsache mitdenken, dass in Bezug auf das deutsche Lese- oder Zuschauerpublikum ein „wir“ und ein „uns“ auch Schwarze Menschen miteinschließt bzw. miteinschließen sollte. Dass der Thienemann-Verlag versteht, dass seine Medien den heutigen Realitäten – das deutsche Leser_Innenpublik besteht nicht nur aus weißen Personen – angepasst werden müssen, ist anerkennenswert und angemessen. Damit stellt er eine Innovationsfähigkeit unter Beweis, die die Autorin Simone Dede Ayivi zu Recht bei jenen vermisst, die sich scheinbar verzweifelt an die Bestimmungsmacht in Bezug auf medial zu verwendende Begrifflichkeiten klammern, unabhängig davon wie unzeitgemäß diese sind. Die Autorin Sabine Mohamed hat auf diesen gesellschaftlichen Missstand bereits letztes Jahr in einem Artikel und vor der aktuellen Debatte aufmerksam gemacht. Zur historischen Kontextualisierung der Gegenwarts-Debatte: Die vorrangig in Black Community-internen Zirkeln geführte Begriffsdiskussion erreichte 2003 erstmalig publikumswirksam die „öffentliche“ Diskussion. Nachdem die Volksbühne eines ihrer Stücke aggressiv mit dem N-Wort beworben hatte, erschien in der Berliner Zeitung der Artikel von der Afro-Deutschen Albini Zöllner unter dem Motto „Ein Wort hat seine Unschuld verloren“. AFROTAK TV cyberNomads (Das Schwarze Deutsche Datenbank Archiv) haben die damalige Diskussion durch den Artikel von Grada Kilomba „Don´t Call me N….“ in TheBlackBook aufgegriffen (AFROTAK TV cyberNomads mit ADB Koeln (Hrsg.) (2004): The Black Book, Köln und Berlin, Schwarze Präsens in Deutschland Mittelalter bis Gegenwart. IKO–Verlag). Und als Redaktion für ein Online-Dossier der Bundeszentrale für politische Bildung (Afrikanische Diaspora in Deutschland ) der Nachwelt allgemein zugänglich gemacht. Auch historisch betrachtet war der Begriff zu keiner Zeit neutral. Im Gegenteil: Das mit dem N-Wort verbundene koloniale Konzept „Untermensch“ war Teil einer moralischen Rechtfertigungsstrategie weisser, deutscher Menschen der Weimarer Republik, die Schwarzen Menschen das Menschsein absprach. Und 1904-1908 im Vernichtungskrieg/Völkermord fast 100 000 Menschen in der deutschen Kolonie (heute Namibia) umbrachten, noch bevor die Nationalsozialisten dies nach Deutschland importierten (siehe Adetoun und Michael Küppers-Adebisi, New Pan-African Images out of Germany). Auch gegenwärtig können in der BRD weisse koloniale und rassistische Strategien und Kontinuitäten gegen Schwarz nachgewiesen werden. Wie z.B.: Institutionalisiertes „Racial Profiling“ (siehe AFROTAK TV cyberNomads Interview mit Hadija Haruna, 2012), Ausgrenzungen auf dem deutschen Arbeitsmarkt (siehe Adetoun Küppers-Adebisi, Arbeitsmarktintegration Afrikanische Diaspora in Berlin, Dossier), sowie tendenziöse bis rassistische Berichterstatung in den vorwiegend weiss geprägten Mainstream-Medien (s. Michael Küppers-Adebisi, Producer: Balotelli – Colonial Stereotypes or Media Racism).
Adetoun Küppers-Adebisi, die Präsident_in von AFROTAK TV cyberNomads und Bündnispreisträger_in der Stiftung Demokratie und Toleranz berichtet: „Vor 30 Jahren habe ich als Reaktion zu der Beleidigung mit dem N-Wort durch andere Kinder den Yoruba-Begriff KOORA als Erwiderung eingeführt. (Und Ihr, – seid dann eben alle KOORA). Die damalige Reaktion im Ferienlager waren weinende Kinder. Daraufhin baten die Sozialarbeiter_innen mich, damit aufzuhören, die Kinder `fremdzubezeichnen´. Und, – ich solle sagen, was das bedeute. Das war vor 30 Jahren und als verbale Selbst-Empowernment-Strategie eines Schwarzen Kindes war das für Weisse Kinder und Erwachsene genauso belastend.“ (siehe auch: Adetoun Küppers-Adebisi, Schwarze Globale Befreiungsbewegungen des 20. Und 21. Jahrhunderts in: Nduka-Agwu, Adibeli; Lann Hornscheidt, Antje (2010): Rassismus auf gut Deutsch, Frankfurt, Brandes & Apsel)
Eine weitere kluge und engagierte Kommentierung der Schriftstellerin, Bloggerin, Aktivistin und Edutainerin Noah Sow findet sich hier. Noah Sow thematisiet die Debatte u.a. als Streiten von weißen Mehrheitsangehörigen, um ihr angebliches Recht, Menschen auch auf verletzende Weise zu benennen und so zu diskriminieren, wie sie wollen. Und sie schreibt vom verloren gegangenen Gewohnheitsrecht, keinen Widerspruch gegen Rassismus von der Dominanzgesellschaft zu erhalten, da sich wenige Prozent Mehrheitsangehörige gegen die Selbstverständlichkeit des Rassismus wenden. Ebenso wie Simone Dede Ayivi kommt sie zu dem Schluss, dass Sprache zu Recht ein Spiegel der Gesellschaft sein muss und schlussfolgert, dass es die Aufgabe der weißen Mehrheitsgesellschaft ist, sich daran zu gewöhnen, Schwarzen Menschen in der aktuellen Debatte auf Augenhöhe zu begegnen. Denn letztendlich geht es um sie.
Maisha Eggers schreibt im Sammelband „Afrika und Europa. Koloniale und postkoloniale Begegnungen“ aus dem Jahre 2006 in einem Artikel zu rassisfizierten Figurationen und Identitäten darüber, wie schon dreijährige Kinder Geschlecht, erlernte Hautfarbenkonstruktionen und Arbeitsmarktpositionen/Einkommensverhältnisse gelernt haben, wahrnehmen UND zusammen denken in hierarchisierender Weise, wie es auch segregierten, gegenderten Arbeitsmarktverhältnissen entspricht. Kinder wissen, wer den Müll weg macht, als Kinderbetreuerin in Haushalten arbeitet usw. In einem anderen Artikel mit dem Titel „Pippi Langstrumpf – Emanzipation nur für weiße Kinder? Rassismus und an (weiße) Kinder adressierte Hierarchiebotschaften“ weist Maisha Eggers darauf hin, „wie die Geschichte „schwarze Kinder als stumme, handlungsabhängige Figuren konstruiert“ und so das koloniale Bild vom unterwürfigen „Eingeborenen“ bis heute am Leben erhält. Diese Botschaft verstehen alle Kinder – weiße wie schwarze. Ersteren wird dabei beigebracht, wer N* sind und dass man sie damit beleidigen kann und Letzteren wird vermittelt, dass sie die N* sind. Beide fühlen das Machtverhältnis subtil, das mit dem Wort und der Botschaft verbunden ist.“ (Hadija Haruna).
Ein weiterer wichtiger Artikel ist der von Grada Kilomba zum Thema Trauma und Rassismus, in dem sie Rassismus als sich stets wiederholdende traumatisierende Reinszenierung kolonialer Figurationen beschreibt. Und Eske Wollrad schreibt in einem Artikel zu Rassismus in Kinderbüchern, dass Schwarze Kinder in der Regel als geschichtslose, nicht in Familien- und Freundschaftsnetzwerke eingebundene Personen gesehen werden, die „eigentlich nicht“ in das als weiß imaginierte Territorium der so genannten normalen Einheimischen, der Weißen, gehören. Beide Artikel finden sich im Buch Rassismuskritik Band I aus dem Jahr 2009.
Die oben genannten Artikel stehen in der Tradition einer lang existierenden Forderung zahlreicher Menschen in diesem Land, Schwarzen und weißen, die durch die aktuell stattfindende Debatte hoffentlich in dem lang erwarteteten Ergebnis mündet: der Abschaffung von Begriffen in der deutschen Sprache, die durch eine koloniale und von Rassismus geprägte Vergangenheit gekennzeichnet sind (siehe u.a. Nduka-Agwu, Adibeli; Lann Hornscheidt, Antje (2010): Rassismus auf gut Deutsch, Frankfurt, Brandes & Apsel, S. 32; Oguntoye, Katharina; Opitz, May; Schultz, Dagmar, Hrsg. (1986): Farbe bekennen. Afrodeutsche Frauen auf den Spuren ihrer Geschichte, Berlin, Orlanda Verlag, S. 127; Bärbel Kampmann: Schwarze Deutsche. Lebensrealität und Probleme einer wenig beachteten Minderheit in Mecheril, Paul; Theo, Thomas, Hrsg. (1994): Andere Deutsche, Berlin, Dietz Verlag). Schwarze Menschen in Deutschland, die auf eine jahrhundertelange Geschichte in diesem Land zurückblicken, versuchen seit langem diesen Missstand, der von der Problematik des Alltagsrassismus, den sie erfahren, nicht getrennt werden kann, öffentlich zu machen. Nun ist sie da, die Debatte, und es bleibt zu hoffen, dass sie jetzt endgültig geführt wird und in konstruktiver Weise dazu beiträgt, dass die deutsche Medienlandschaft ihre Sprache endlich an die deutsche Realität anpasst.
Dass wir heute leider davon noch entfernt sind, zeigen die Artikel der Wochenzeitschrift die „Zeit“ von Ulrich Greiner und Axel Hack vom 17.01.2013. Sie sind entgegen den oben genannten kritisch reflektierenden Artikeln gekennzeichnet durch
– fehlende Genauigkeit im Sprechen über Rassismus
– und eine fehlenden Beschreibung dessen, was unter Rassismus verstanden wird. Um eine Definition vorzuschlagen: Als ein Herrschaftsverhältnis kann Rassismus definiert werden als „als ein System von Diskursen und Praxen, die historisch entwickelte und aktuelle Machtverhältnisse legitimieren und reproduzieren. Rassismus im modernen westlichen Sinn basiert auf der „Theorie“ der Unterschiedlichkeit menschlicher „Rassen“ aufgrund biologischer Merkmale. Dabei werden soziale und kulturelle Differenzen naturalisiert und somit soziale Beziehungen zwischen Menschen als unveränderliche und vererbbare verstanden (Naturalisierung). Die Menschen werden dafür in jeweils homogenen Gruppen zusammengefasst und vereinheitlicht (Homogenisierung) und den anderen als grundsätzlich verschieden und unvereinbar gegenübergestellt (Polarisierung) und damit zugleich in eine Rangordnung gebracht (Hierarchisierung). Beim Rassismus handelt es sich also nicht einfach um individuelle Vorurteile, sondern um die Legitimation von gesellschaftlichen Hierarchien, die auf der Diskriminierung der so konstruierten Gruppen basieren. In diesem Sinn ist Rassismus immer ein gesellschaftliches Verhältnis.“ (Rommelspacher 2009, in Melter/Mecheril: Rassismuskritik Band I). Es geht also um Gesellschaftsstrukturen, Macht, Zuschreibungen und ideologische Rechtfertigungsmuster, die sich auch in Begriffen und Gruppenkonstruktionen niederschlagen. Wie wer einen Ausdruck intendiert ist dabei oftmals unerheblich hinsichtlich der verletzenden und abwertenden Wirkung, wie Berichte von Schwarzen deutschen Kindern eindrücklich zeigen, wie der von Dialika Neufeld.
– In den Texten von Greiner und Hack wird nicht ausführlich auf die Verbrechen des Kolonialismus eingegangen. Insbesondere der Völkermord an den Herero und Nama 1904 und auch die rassistischen Benennungs- und Abwertungspraxen gegenüber afrikanischen Menschen seitens Philosophen wie Kant und Hegel, der den Kolonialismus offensiv befürwortete, sowie die Verbrechen im Zeitalter des Nationalsozialismus sind ja in Deutschland die historische Folie, in der das N-Wort gesprochen und geschrieben wurde sowie in diskriminierender gewaltvoller Intention und Wirkung angewandt wurde und wird, teils auch nicht beabsichtigt, jedoch trotzdem potentiell abwertend.
– In den zwei Artikeln in der aktuellen Ausgabe der „Zeit“ vom 17.01.2013 von Greiner und Hack wird das angeblich unangemessene Benannt-werden als „Rassist“ beklagt. Hilfreich ist hier das Gerichtsurteil vom 15. Juni 2000 am Amtsgereicht Schwäbisch-Hall (Geschäftsnummer 6 C 154/ 00), in diesem wurde entschieden, dass, wer das N-Wort öffentlich benutzt, „Rassist“ genannt werden darf (vgl. derbraunemob).
– Allerdings geschieht es häufig, dass die Aussage „diese Bezeichnung kann als rassistisch eingeordnet werden“ umgedeutet wird in, „ich werde als Rassist benannt“. Es wird nicht getrennt zwischen der Kritik an Handlungen und an der ganzen Person. Diese Behauptung (und vielleicht auch das eigene Erleben) als ganze Person angegriffen, ist real ein Abwehrmechanismus, um sich nicht differenziert mit dem Vorwurf bzw. der beschriebenen Fragestellung auseinanderzusetzen.
– Es wird im Zeit-Haupartikel von Greiner geschrieben, dass in Kinderbüchern, die damals von Ottfried Preussler und Astrid Lindgren geschrieben wurden, die Verwendung des N-Wortes eine übliche neutrale und nicht abwertend rassistische Bezeichnungspraxis war. Doch auch damals haben diese Begriffe Menschen gekränkt, verletzt und abgewertet. Diese Einsicht ist übrigens keine Neue. Bereits 2002 wurde auf Initiative der Anti-Diskriminierungsstelle der Stadt Hannover durchgesetzt, dass Agatha Christies Krimi „Zehn kleine N*lein“ in Deutschland einen neuen Titel erhalten wird. In Anlehnung an den englischen Originaltitel „And Then There Were None“ wurde beschlossen, dass das Buch in zukünftigen Auflagen den Titel „Und dann gab’s keines mehr“ tragen wird (SPEX March 2002)
– Die KRITIK an der Verwendung des N-Wortes wird in den genannten Artikeln der „Zeit“ vom 17.01.2013 als unangemessen, unwissenschaftlich und als ein Angriff auf Literatur und Menschen („Kleine Hexenjagd“, so die Überschrift über den Leitartikel, als gegen eine Gruppe gerichtete Verfolgungs- und Mordpraxis gegen Frauen) gedeutet. Hier ist zu entgegnen, dass die Kritik am N-Wort sehr wohl wissenschaftlich fundiert und belegt ist [vgl. die Artikel von Grada Kilomba 2009, und Eske Wollrad 2009 sowie die Belege im Blog von Noah Sow und dem Internetauftritt von der braune mob, sowie das Buch von Noah Sow: Deutschland Schwarz Weiß. Der alltägliche Rassismus (2008), Mark Terkessidis: Die Banalität des Rassismus (2004)].
– Kindern wird schon sehr früh BEIGEBRACHT nach Kriterien wie „Gender“, konstruierten „Hautfarbengruppen“, Alter usw. zu unterscheiden und z.B. typische Berufsgruppen entsprechend gegebener Arbeitsmarktstrukturen einzuteilen (siehe Artikel von Maisha Eggers in „Afrika und Europa. Koloniale und Postkoloniale Begegnungen“, Bechhaus-Gerst/Gieseke 2006). Dass Kinder in Deutschland sehr früh mit rassistisch geprägten Begriffen in Kinderbüchern konfrontiert werden und dass dies mit schmerzhaften Folgen für Schwarze Kinder einhergeht, beschreibt die Autorin ManuEla Ritz in ihrer Autobiographie. Darin erläutert sie anschaulich, wie Eltern Schwarzer Kinder in Deutschland oftmals ihren Kinder helfen müssen, frühzeitig Erlebnisse zu verarbeiten, in denen sie aufgrund ihrer Hautfarbe negative Zuschreibungen oder Ungleichbehandlung erfuhren (ManuEla Ritz: Die Farbe meiner Haut (2009).
Gegenüber den genannten „Zeit“-Texten positiv hervorhebenswert ist der letzte Artikel von Ijoma Mangold, in dem geschrieben wird, dass das Bedürfnis, im Wissen um die Problematik des N-Wortes auf deren Nutzung zu bestehen, ein bewusstes Abwerten-Wollen seitens der so Sprechenden ist und eine Diskriminierungsabsicht enthält. Wünschenswert wäre gewesen, wenn auch in diesem Text nicht ständig das N.-Wort wiederholt worden wäre und auch ohne Anführungszeichen (was es allerdings auch nicht wesentlich besser gemacht hätte). Eine weitere Begründung gegen die Nutzung des N-Wortes ist, dass es – egal ob beabsichtigt oder nicht – vielfach verletzend, kränkend und beleidigend wirkt. Angemessen ist Ijomas Mangolds Auseinandersetzung mit dem Leser_innenbrief eines 9-jährigen Mädchens, das nicht N. genannt werden will. Hier noch in der Süddeutschen ein Leserbrief des Mädchens.
Uns erscheint entgegen den tendenziell Rassismus verharmlosenden und koloniale Denkmuster bestärkenden und gleichzeitig Kolonialismus nicht thematisierenden Artikeln von Greiner und Hack ein ernsthaftes und behutsames Ringen um rassismuskritische Kinderbücher notwendig, die egalitäre Beziehungen schildern und die Normalität Schwarzer Deutscher und migrantischer Deutscher, kurzum von Vielfalt (z.B. auch in Bezug auf Menschen, die behindert werden), als selbstverständlich ansehen und danach streben, nicht diskriminierend, nicht verletzend, zu sein. Verbunden sein sollte dies sowohl mit einer Diskussion über gegenwärtigen körperlich gewalttätigen, institutionellen und eben auch verbal-diskursiven Rassismus, der auch das Verhältnis zu Kolonialismus und Nationalsozialismus in Deutschland thematisiert sowie den Umgang damit.
Sinnvoll erscheint somit eine Debatte über Rassismus als Gesellschaftsverhältnis, das sowohl in machtvollen Ausgrenzungs- und Benachteilungspraxen, physischer und diskursiver sowie institutioneller Gewalt und Diskriminierung ausgedrückt wird und mit ideologischen Legitimierungsbestrebungen arbeitet als auch die rechtliche Diskriminierung von Flüchtlingen und Personen mit Migrationsgeschichte ohne deutsche Staatsbürger_innenschaft beinhaltet.
Wir haben die Erwartung und den Anspruch an Journalist_innen und die Presse sowie an Literatur- und Theaterschaffende ihr Publikum mit ihren Texten und Begriffen auf nicht diskriminierende Weise zu informieren und keine rassistischen Begriffe und Gruppenkonstruktionen zu verwenden. Die Verantwortung der Presse und der Medien ist es, Rassismus zu thematisieren und ihm entgegen zu treten. Es ist nicht Aufgabe der Medien, durch Artikel und andere Beiträge die Verwendung von rassistisch geprägter Sprache zu rechtfertigen.
Medienvertreter_innen müssen (!) nach unserer Auffassung aufgrund der eigenen ethischen Richtlinien auf nicht-diskriminierende, nicht verletzende Sprache achten, Begriffe herrschaftskritisch und historisch kontextualisieren und damit beitragen, Rassismus zu hinterfragen anstatt ihn zu (re-)produzieren!!
Tina Bach, Josephine Jackson, Adetoun Küppers-Adebisi, Michael Küppers-Adebisi, Claus Melter, Farah Melter
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Eine Seite mit verschiedenen Links zur aktuellen Debatte um das N-Wort: der schwarze blog