Neonazistischer, institutionalisierter und alltäglicher Rassismus
Nazis sind Rassist_innen. Darüber brauchen wir nicht zu diskutieren. Immer wieder greifen sie Unsicherheiten und Ängste ihrer potentiellen Wähler_innen und Anhänger_innen auf um ihre Hasstiraden zu verbreiten. Rassistische Vorurteile werden mit fadenscheinigen Argumenten untermauert um die menschenverachtenden Forderungen der Nazis zu rechtfertigen. Ausländer seien kriminell, würden uns die Arbeitsplätze wegnehmen, kosteten den deutschen Steuerzahler viel Geld und brächten überdies aufgrund der sich fortschleichenden Überfremdung auch noch den Volkstod. Nicht nur das Beispiel des NSU, sondern über 180 neonazistische Morde seit 1990 zeigen, dass Nazis aufgrund dieser menschenverachtenden Überzeugungen auch zum Töten bereit sind. Das was die Nazis auf die Spitze bringen ist jedoch alles andere als ein Randphänomen und nährt sich aus einem Boden gesellschaftlich und politisch verankerten Rassismus.
Fast täglich begegnen uns in den Medien, im Gespräch mit Nachbar_innen oder auf dem Schulhof rassistische Vorurteile, offen oder verdeckt. Häufig werden dabei Menschen, je nach Herkunft oder Religion, bestimmte Eigenschaften zugeschrieben, sei es: „Japaner sind ehrgeizig“, „Griechen faul“ oder „Russen trinkfest“. Das Ganze geht so weit, dass in Mecklenburg-Vorpommern, wo gerade einmal 1,9 Prozent der Bevölkerung Migrant_innen sind (MV-Statistik 2012), 32,2 Prozent, also ein Drittel der Einwohner_innen, rassistischen Aussagen, wie „Die Ausländer kommen nur hierher um unseren Sozialstaat auszunutzen.“ oder „Wenn Arbeitsplätze knapp werden, sollte man die Ausländer wieder in ihre Heimat zurück schicken.“, zustimmen (Friedrich-Ebert-Stiftung 2008). Dass eine rassistische Grundstimmung in der Bevölkerung auch politisch wirksam werden kann, zeigte sich Anfang der 90er Jahre. In einer Zeit der Pogrome gegen Migrant_innen (u.a. Rostock-Lichtenhagen, Mölln und Hoyerswerda) wurde damals das Recht auf Asyl faktisch abgeschafft. Wie sich mit entsprechenden Themen Wähler_innen gewinnen lassen ist kein Geheimnis der NPD. Auch andere Parteien punkten mit solch einfachen Erklärungen und rassistischen Stereotypisierungen. Unter dem Deckmantel einer weltoffenen und integrierenden Politik werden Ängste, zum Beispiel vor der Ausnutzung des Sozialsystems, geschürt und rassistische Gesetzgebungen gerechtfertigt. So forderte jüngst der deutsche Innenminister Friedrich einer ganzen Bevölkerungsgruppe pauschal das Recht auf einen Flüchtlingsstatus abzuerkennen. Roma, die während des Nationalsozialismus verfolgt und ermordet wurden, und denen erst im Herbst letzten Jahres ein Denkmal gesetzt wurde mit einem Hinweis der Bundeskanzlerin auf die besondere Verantwortung Deutschlands gegenüber dieser Minderheit, werden in ihren Herkunftsländern inner- und außerhalb Europas sozial und politisch ausgegrenzt. Ebenso wird das Szenario drohender Flüchtlingswellen beispielsweise aus Afrikanischen Ländern nach dem arabischen Frühling genutzt um über eine Verschärfung der Grenzkontrollen, wie sie von der NPD schon seit Jahren gefordert wird, zu debattieren. Dabei ist es dank Grenzschutzorganisationen wie FRONTEX ohnehin beinahe unmöglich überhaupt erst nach Europa zu gelangen. Im Jahr 2011 wurden mehr als 2000 getötete Flüchtlinge im Mittelmeer gezählt, viele von denen die es doch schaffen, werden direkt zurück verfrachtet.
Flüchtlinge sind hierzulande nicht nur Diskriminierungen auf offener Straße ausgeliefert. Die Ausgrenzung ist politisch mithilfe rassistischer Gesetzgebungen institutionalisiert und es wird kein Hehl daraus gemacht, dass diese einzig und allein der Abschreckung dienen und die Betroffenen zur Ausreise drängen sollen. Flüchtlinge werden nach ihrer Ankunft auf die verschiedenen Bundesländer „umverteilt“, unabhängig davon, ob sie zum Beispiel mit Freunden oder Verwandten (außerhalb der Kernfamilie mit minderjährigen Kindern) eingereist sind. Während sie sich im Asylverfahren befinden werden sie zusammen mit vielen anderen Menschen in sogenannten Gemeinschaftsunterkünften untergebracht. Ihnen steht dabei gesetzlich eine Fläche von 6m² zu. Häufig sind diese Heime auf dem Land, ohne Verkehrsanbindung, Einkaufsmöglichkeiten, geschweige denn der Möglichkeit einen Deutschkurs zu besuchen. Hier müssen viele Migrant_innen über Jahre verharren um auf ihre Anerkennung als Flüchtlinge zu warten, mit der ständigen Angst vor Abschiebung. Viele bekommen spätestens, wenn nicht schon aufgrund ihrer Vergangenheit, in dieser Situation psychische Probleme. Auf Grundlage des Asylbewerberleistungsgesetz bekommen sie Leistungen außerdem häufig in Form von Gutscheinen und Sachleistungen anstelle von Geld. Auch der Zugang zu Arbeit und Bildung wird ihnen verwehrt oder zumindest erschwert. Ein menschenwürdiges Leben ist unter solchen Umständen kaum möglich.
Derweil wird rassistischen und islamfeindlichen Äußerungen à la Thilo Sarrazin frei nach dem Motto „man wird ja noch seine Meinung sagen dürfen“ ein Forum geboten und trifft mit Argumenten, die uns irgendwie bekannt vorkommen, bei einer großen Zuhörer_innenschaft auf offene Ohren. Und auch Neonazis wie Udo Pastörs (NPD-Abgeordneter in MV) brauchen keine ernsthaften Konsequenzen zu befürchten, wenn sie mal wieder ihre menschenverachtende Propaganda verbreiten. Abgesehen davon, dass schon von Rassismus gesprochen werden kann, wenn Flüchtlinge in Nazihochburgen wie Anklam untergebracht werden und generell kein Recht auf Selbstbestimmung bei der Wohnungs- und Wohnortwahl haben, zeigen die Diskussionen im Zusammenhang mit der Errichtung neuer Flüchtlingsunterkünfte z.B. in Wolgast, Bad Doberan oder Güstrow, gegen die es Proteste und sogar Unterschriftenlisten gab, wie verankert der Rassismus auch in der „Mitte der Bevölkerung“ ist.