Ehrenamtliche Hilfe im Flüctlingsheim Greifswald untersagt

Wie in der Ostseezeitung vom 17.09. zu lesen ist, wird dem Arbeitskreis kritischer Jurist_innen die ehrenamtliche Unterstützung der Flüchtlinge in Greifswald untersagt. Die fadenscheinige Begründung ist derweil kaum nachvollziehbar.

Kreis untersagt Studenten Sprechstunde im Asylheim

Der Arbeitskreis kritischer Juristen hilft ehrenamtlich den Flüchtlingen bei Behördengängen oder übersetzt beim Arzt. Das passt der Verwaltung offenbar nicht.

17.09.2012

Katharina Degrassi findet, die Sprechstunden des Arbeitskreises sollten wieder erlaubt werden.

Greifswald Hartwig Remmers (27) vom Arbeitskreis kritischer Juristen versteht die Welt nicht mehr. Der Kreis untersagte die wöchentliche Sprechstunde im Flüchtlingsheim. Dort nutzten die Studenten ein Büro, boten für die mehr als 120 Asylbewerber kostenlose Hilfe an. „Viele können kein Wort Deutsch lesen oder nur ihren Namen. Wir übersetzen die Behördenschreiben, erklären den Flüchtlingen, was sie bedeuteten und verfassen Antworten“, erklärt Remmers einen wichtigen Teil der Arbeit. „Es geht aber auch darum, einfach ein offenes Ohr für die Sorgen und Nöte zu haben. Die Leute wollen einfach mal mit jemandem sprechen, weil sie isoliert sind“, ergänzt Jessica Barth (26).

Etwa zehn Studenten verschiedener Fachrichtungen machen bei den Sprechstunden mit. „Wir wechseln uns ab, je nachdem, wer wann Zeit hat“, erklärt Remmers. Sie investieren wöchentlich mehrere Stunden ihrer Freizeit. Alles ehrenamtlich. Wesentliches Arbeitsfeld Anfang August: Die Studenten halfen den Flüchtlingen, Widersprüche gegen zu geringe Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz einzulegen. Das war aufgrund eines Urteils des Bundesverfassungsgerichtes möglich.

Nachdem die Widersprüche beim Sozialamt eingingen, untersagte die Behörde die Sprechstunde. Passt es dem Kreis nicht, dass die Studenten den Asylbewerbern zu ihrem Recht verhelfen wollen?

Pressesprecher Christoph Krohn verneint: „Der Kreis wusste bis dahin nicht, dass im Flüchtlingsheim solche Sprechstunden angeboten werden.“ Das sei jedoch nicht ohne weiteres erlaubt. „Laut Betreibervertrag sind die Dienste, die der Arbeitskreis gegenüber den Flüchtlingen erbringt, vom Betreiber mit eigenem Personal nach bestimmten Qualitätsstandards zu leisten“, erklärt der Pressesprecher. Heißt: Das Deutsche Rote Kreuz (DRK) müsste die Sprechstunden durchführen. Der Betreiber hätte auch die Möglichkeit, einen Untervertrag zu schließen und die Aufgaben zu übertragen, sagt Krohn weiter. Das sei im Fall des studentischen Arbeitskreises jedoch nicht geschehen. Gregor Kochhan (Grüne), Vorsitzender des Sozialausschusses, hat kein Verständnis für die Sichtweise der Verwaltung: „Meines Wissens umfasst der Vertrag mit dem DRK keine sozialrechtliche Betreuung. Das ist ein zusätzliches Angebot, das die Studenten ehrenamtlich übernehmen“, erklärt der grüne Fraktionschef, der als Jurist im Sozialrecht tätig ist. Kochhan verweist zudem auf die knappen Finanzen. „Das Personal geht auf dem Zahnfleisch.“

Einen Vertrag, wie ihn sich der Landkreis vorstellt, hat das DRK mit dem Psychosozialen Zentrum Greifswald. „Die Leistungen sind jedoch andere als jene, die die Studenten anbieten“, erklärt Kochhan.

Er hat sich an den Kreis gewandt, um sich für eine schnelle und unbürokratische Lösung einzusetzen. „Die jungen Leute sollten ihre Sprechstunde unbedingt weiterhin anbieten dürfen“, findet Kochhan.

Der Landkreis prüft derweil, ob der Arbeitskreis kritischer Juristen den gesetzlichen Anforderungen entspricht, um mit ihnen einen Untervertrag zu schließen. Anforderungen laut Krohn sind hierfür eine Ausbildung als Sozialarbeiter oder zweijährige Berufserfahrung. Beides können die Studenten nicht vorweisen.

Völlig unangebracht

Der Kreis legt jungen Menschen, die sich ehrenamtlich engagieren, Steine in den Weg. Das ist völlig unangebracht und unverständlich. Der Arbeitskreis kritischer Juristen hilft Asylbewerbern beim Übersetzen und Verstehen von deutschen Amtstexten, begleitet sie zum Arzt und hört ihre Sorgen an. Das sind keine Leistungen, die in einem Gesetzbuch festgeschrieben werden müssen, sondern Angebote der Menschlichkeit. Die Studenten verbringen ihre Freizeit mit den Frauen und Männern aus Afghanistan, dem Iran oder Irak. In ihren Heimatländern werden die Personen verfolgt. Aber hier in Deutschland sind sie fremd. Wer immer ihnen helfen möchte, verdient unseren Respekt. Die kostenlose Beratung in den Räumen des Flüchtlingsheims sollte wieder erlaubt werden.

Katharina Degrassi

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4 Antworten zu Ehrenamtliche Hilfe im Flüctlingsheim Greifswald untersagt

  1. Klaus sagt:

    Ihr habt vergessen zu erwähnen, dass es eine Landrätin der Partei DIE LINKE aus dem Landesverband Mecklenburg-Vorpommern (Fr. Dr. Barbara Syrbe) ist, die skandalöserweise die ehrenamtliche Rechtsberatung verbietet. So schaut die antirassistische und antifaschistische Politik im Landesverband von Dietmar Bartsch also aus …

  2. Das ist vollkommen unverständlich, wieso Rechtsberatung nicht sein sollte.Es ist das Recht eines jeden Menschen, Rechte zu haben und über sie aufgeklärt zu werden. Die menschenrechtliche Diomension ist anscheinend einigen Ordnungspolitikern- egal welcher Couleur – nicht geläufig. Sich auf Verträge mit Heimbetreibern zurückzuziehen spricht der Wirklichkeit Hohn. Sogenannte „Refugee Law Clinics“ (s. http://www.unhcr.org) sind in vielen Ländern eine Hilfestellung, damit Behördenhandeln evaluiert wird. Es ist an der Zeit, diese Arbeit auch in anderen menschenrechtlichen „Entwicklungsgebieten“ einzuführen. Danke an all die, die Menschen in ihrer Not nicht allein lassen. Fanny Dethloff, Menschenrechtsbeauftragte der Nordkirche

  3. Offenbar wurden bisher Räumlichkeiten für die Sprechstunden zur Verfügung gestellt. Der Träger des Flüchtlingsheims hat also nichts gegen die Sprechstunde und es wäre doch absurd, wenn der Träger (DRK) gezwungen sein würde, seine Räume nur nach Genehmigung vom Landkreis nutzen zu lassen. Wenn der Landkreis nun diese Sprechstunde untersagt, ist das wohl eine Verbotsverfügung, gegen die ggf. rechtliche Schritte geprüft werden sollten. Vor allem aber ist es eine politische Sauerei! Das Angebot ehrenamtlicher Beratung ist nicht illegal, sondern einfach nicht gewollt…

  4. Manfred Quägber sagt:

    Es wäre gut, wenn die Behörde über den Tellerrand hinweg schauen würde und sich nicht so eng an Vorschriften,Gesetze und Betreiberverträge binden.
    In anbetracht der Unkenntnis der deutschen Gesetzgebung brauchen die Flüchtlinge Hilfe. Wir als Deutsche haben hier schon unsere Schwierigkeiten Behördenbriefe zu lesen. Vorsicht sollte man die Sprachmittlertätigkeit bei einem Arztbesuch in besonderen Fällen sehen, hier sollte man auf amtlich zugelassene Dolmetscher zurückgreifen.
    Ich war 10 Jahre als Heimleiter in Ueckermünde und 3 Jahre als Ausländerbeauftragter des LK Uecker-Randow tätig und habe gute Erfahrungen mit dem PSZ; Schulen, Vereinen, der Kirche und ehrenamtliche Bürger gemacht.
    Den Kontakt zu diesen Ehrenamtlichen habe ich als Heimleiter ständig gehalten, natürlich habe ich mich schon dafür interessiert wer ist in meinem Heim aktiv. Sie waren immer eine Hilfe für die Arbeit der Heimleitung.
    Die Öffentlichkeitsarbeit spielt eine besondere Rolle. Hier können
    Lebensweisen, Bräuche in anderen Ländern verdeutlicht werden.

    Manfred Quägber
    Ueckermünde

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