Die Kampagne Stop it! Rassismus bekämpfen – alle Lager abschaffen hat gestern eine Pressemitteilung zu der aktuellen Situation im Flüchtlingsheim in Jürgenstorf herausgegeben. Darin wird die Untätigkeit der Behörden bemängelt und Forderungen zur Verbesserung der Lebensumstände der Menschen in Jürgenstorf und in allen weiteren Asylsuchendenheimen werden gestellt. Lest selbst die Mitteilung über die aktuellen Umstände in Jürgenstorf:
„Wir sollen still sein und warten“ –
die Ungewissheit der Jürgenstorfer Flüchtlige
Vier Monate sind vergangen, seit der Landtag die Schließung der Asylunterkunft Jürgenstorf bei Stavenhagen bis Sommer 2013 beschlossen hat. Zuvor wurde die Situation im Jürgenstorfer Flüchtlingslager von den dort untergebrachten Menschen und der Kampagne Stop it! Rassismus bekämpfen – alle Lager abschaffen kritisiert und für eine Schließung protestiert. Im Februar diesen Jahres wurde dieser im Landtag zugestimmt. Innen-
minister Lorenz Caffier begründete die Schließung mit baulichen Mängeln, für deren Behebung zu große Kosten entstünden. Auch wenn diese rein finanzielle Begründung fast alle inhaltlichen Kritikpunkte der Bewohnenden außer acht lässt, freute man sich zunächst über die Einsicht des Ministers, dass die Bedingungen vor Ort keine weitere Unterbringung von Asylsuchenden in Jürgenstorf zuließen. In der Praxis bedeutet die Entscheidung für die in Jürgenstorf untergebrachten Menschen jedoch, dass sich ihre Situation für weitere anderthalb Jahre nicht verbessern wird. Denn an den Kritikpunkten der Proteste hat sich indes nichts verändert:
„Wir haben immer noch keinen richtigen Deutschkurs und keine ausreichende soziale Beratung im Heim.
Wenn wir fragen, wann wir umziehen oder wohin wir umverteilt werden, bekommen wir keine Antwort. Wir
sollen still sein und warten“, beschreibt eine Asylsuchende die Situation.
Es gebe zwar seit den Protesten einen wöchentlichen Deutschkurs, der von einer Ehrenamtlichen angeboten wird. Dieses Angebot sei aber für die über 150 Untergebrachten völlig unzureichend. Dringend benötigter professioneller Deutschunterricht, der mehrmals wöchentlich und getrennt in unterschiedliche Niveaustufen stattfindet, wurde bislang auch auf regelmäßiges Drängen einzelner Asylsuchender hin nicht realisiert. Die Folgen sozialer und räumlicher Isolation von Asylsuchenden durch Unterbringung in Lagern treten im kleinen Ort Jürgenstorf besonders zutage. Es existieren kaum soziale, rechtliche und medizinische Beratungsmöglichkeiten im Lager oder dessen näherer Umgebung. Die Bewohnenden sind auf den seltenen öffentlichen Nahverkehr
angewiesen, der für sie oft nicht erschwinglich ist. Dadurch werden Arztbesuche, Einkäufe und andere Dinge des täglichen Lebens zu einer großen Anstrengung, vor allem für Ältere, Erkrankte und Alleinerziehende. Doch immer noch sind vom Keller bis in den 5. Stock alle Zimmer des Lagers belegt. Frei werdende Räume werden umgehend neuen Asylsuchenden aus dem Zentralen Erstaufnahmelager in Horst zugewiesen. Von einer
bevorstehenden Schließung ist in Jürgenstorf nichts zu spüren. Einige Familien versuchen ihr Schicksal selbst in die Hand zu nehmen und stellen Anträge auf Umverteilung in eine größere Stadt. Sie hoffen auf besseren Zugang zu Deutschkursen, Beratungs-, und Arbeitsmöglichkeiten. Denn auch wer in Jürgenstorf eine Arbeitserlaubnis bekommt, hat fast nie das Glück, einen Job in der Umgebung zu finden. Doch die Bescheide der
Ausländerbehörde fallen meist negativ aus.
Die sich im Gespräch befindenden Eröffnungen neuer, abgelegener Lager in Kleinstädten wie Tribsees und Franzburg im Landkreis Vorpommern-Rügen oder Wolgast im Landkreis Vorpommern-Greifswald verstärken zudem die Verunsicherung und psychische Belastung vieler Bewohnenden. Für viele Flüchtlinge und ihre Familien hat sich die im Asylverfahren ohnehin große Ungewissheit über mittelfristige Zukunftsaussichten durch die
Entscheidung, das Heim zu schließen nochmals verschärft:
„Schüler und Schülerinnen fragen sich, ob sie das nächste Schuljahr noch in Jürgenstorf abschließen werden oder ob sie sich auf einen Wechsel einstellen sollten. Dabei weiß man noch nicht einmal ob die nächste Unterkunft wieder in einem Lager oder dezentral, in einer Wohnung, sein wird“, sagt Kim Alayan, Sprecherin der Stop it! Kampagne.
Die Stop it! Kampagne fordert deshalb:
• Den umgehenden Stopp der Verteilung von Asylsuchenden nach Jürgenstorf
• Die sofortige Einrichtung von Deutschkursen und adäquater mehrsprachiger Sozial- und Rechtsberatung
im Flüchtlingslager Jürgenstorf
• Die Gestattung der Umverteilungsanträge der in Jürgenstorf untergebrachten Asylsuchenden in die
gewünschten Städte
• Keine Errichtung neuer zentraler Flüchtlingslager sondern die Unterbringung von Asylsuchenden in von
ihnen gewählte Wohnungen in Städten mit Anbindung an soziale Infrastruktur
• Die Bewegungsfreiheit für Asylsuchende durch die Abschaffung der auf Mecklenburg Vorpommern
beschränkten Residenzpflicht