Institutioneller Rassismus in Greifswald

Zum Thema Rassismus in der Ausländerbehörde in Greifswald veröffentlichte die OZ am 27.7.12 folgenden Artikel:

„Die Ausländerbehörde hasst Ausländer“ – Menschen aus Nicht-EU-Ländern beklagen zu viel Bürokratie. Unter Studenten grassiere eine „Behördenphobie“.

Greifswald (OZ) – Mobbt die Ausländerbehörde einen Teil ihrer „Kundschaft“? Studenten und Klinik-Patienten, die aus Ländern außerhalb der Europäischen Union nach Greifswald gekommen sind, berichten von aus ihrer Sicht übertrieben komplizierten Verfahren. Sie fühlen sich schlecht behandelt. „Wir sind keine Bettler, wollen nichts klauen“, sagt Esam Al-Anwah. „Aber man wird so behandelt.“

Der 28-jährige Jemenit lebt seit sieben Jahren in Greifswald. Er ist Integrationsbeauftragter an der medizinischen Fakultät. Unter ausländischen Studenten grassiere eine „Behördenphobie“, sagt er.

Al-Anwah kennt Kommilitonen, die herkamen und erst jeden Monat, später alle drei Monate ihre Aufenthaltsgenehmigung verlängern lassen und dafür eine Gebühr von 20 bis 25 Euro zahlen mussten – immer mit der Angst, kein neues Visum zu bekommen. „Die Mitarbeiter in der Behörde üben Druck aus“, so Al-Anwah. Mitunter werde offen mit Ausweisung gedroht.

Auch bei der Verständigung scheint es Probleme zu geben: „Doktoranten, die perfekt Englisch sprechen, müssen einen Dolmetscher mitnehmen, um sich mit den Beamten unterhalten zu können“, beklagt Al-Anwah. Fremdsprachenkenntnisse seien in der Behörde kaum vorhanden.

Neben seinem Studium betreut er ehrenamtlich auch Patienten aus arabischen Ländern, die sich hier operieren lassen, denn die medizinische Versorgung in Deutschland genieße international einen ausgezeichneten Ruf. So lernte er einen seit zehn Jahren in Greifswald lebenden Algerier kennen, der folgende Geschichte erlebt hat: „Mein Bruder lebt in Algerien und hat Probleme mit den Ohren. Er besucht mich und vereinbart hier einen OP-Termin. Allerdings wäre zu dem Zeitpunkt dann sein Touristenvisum nicht mehr gültig. In der Ausländerbehörde will man es nicht verlängern. Man sagt ihm, er brauche stattdessen ein medizinisches Visum. Und das muss er in Algerien beantragen.“

Ohne Operation flog der Patient wieder nach Algerien. Er wartet dort nun auf ein neues Visum und versucht, einen neuen OP-Termin zu bekommen.

Auch Muhamed Tomaizeh (27) aus Palästina betreut Patienten bei der Organisation ihres Aufenthaltes. Sein drastisches Fazit nach zahlreichen Ämtergängen: „Die Ausländerbehörde hasst Ausländer.“

Selbst, wenn jemand frisch operiert sei, würden Unterschriften vom Patienten verlangt. Die Visa würden nicht ausreichend verlängert, um die gesamte Zeit der Rehabilitation abzudecken. Es gab Zeiten, in denen er alle zwei Wochen zur Behörde musste, um sich um Genehmigungen, Stempel und Unterschriften zu kümmern.

Achim Froitzheim, Sprecher des für die Behörde zuständigen Landkreises reagiert verwundert auf die Kritik. „Es handelt sich bei den Mitarbeitern der Ausländerbehörde in Greifswald nicht um neue, unerfahrene Kräfte“, sagt er. Vielmehr seien es Mitarbeiter, die diese anspruchsvolle Aufgabe für die Stadt Greifswald seit vielen Jahren ausgeübt hätten und durch die Kreisreform zum Landkreis gewechselt seien. Die Mehrzahl von ihnen können sich seinen Informationen nach zumindest „auf Englisch verständlich machen. Einige verfügen auch über russische oder französische Sprachkenntnisse.“

Zu den einzelnen Fällen gibt er keine Stellungnahme ab. „Wir werden jedoch genau prüfen, welche Sprachkenntnisse und Kompetenzen im Umgang mit anderen Kulturen die einzelnen Mitarbeiter vorweisen können.“ Deshalb nehme er diese Hinweise sehr ernst. „Wir werden den einzelnen Kritikpunkten detailliert nachgehen“, verspricht Froitzheim.

Schwierigkeiten bei der Wohnungssuche

Nicht nur bei der Ausländerbehörde treten Schwierigkeiten auf. Esam Al-Anwah berichtet auch von massiven Problemen, eine Wohnung zu finden für Patienten, die sich mehrere Monate in Greifswald zur Rehabilitation aufhalten würden: „Die Patienten können meistens kein Deutsch. Deshalb rufe ich für sie die Vermieter an, wenn eine Annonce gut klingt. Oft es ist aber so, dass die Leute am anderen Ende der Leitung hören, dass ich einen Akzent habe. Dann sagen sie: ,Die Wohnung ist schon vermietet.‘ Aber zwei Tage später steht die Annonce wieder in der Zeitung.“

Kai Lachmann

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